eine andere radtour.

Durch Lesotho mit dem Rad? Eine Schnapsidee? Wo liegt das überhaupt? Alles Dinge, die ich vorher nicht wusste… und das war auch gut so. Nach der von uns organisierten Tour mit  Kunden, Luxus und Begleitfahrzeug in Südafrika, von Kapstadt nach Port Elizabeth (siehe Artikel), machen wir uns nun auf ins echte Abenteuer! Mit dem Rad bis nach Tansania, bis zum Kilimandscharo oder gar nach Sansibar! Einfach so drauf los, mit prallgefüllten Satteltaschen, dem Zelt für den Notfall und ein paar guten deutschen Landkarten. Wir haben zwei Monate Zeit.

Den kleinen weißen Transporter habe ich unseren „Elektrikerwagen“ genannt. Er gab uns Anonymität und Komfort um von Port Elizabeth, also im Süden von Südafrika, nach Durban zu fahren, in den Norden des Landes. Eine zu weite und zu öde Strecke um diese mit dem Rad zu machen, da gibt es weitaus Besseres zu sehen. 

Unsere offizielle Tour fangen wir also in Durban an, eine recht unwirtliche Großstadt, so wie alle Südafrikas, mit Ausnahme von Kapstadt. Solltet Ihr trotzdem mal hier eine Nacht verbringen müssen, kann ich das freundliche Hostel Hippo Hide empfehlen.

Die Strecke führt uns an der Küste entlang, ein kleines Stückchen gen Süden, um dann den Abzweig zu finden, der auf einer geraden und langen Strecke fünf Tage lang zur Grenze nach Lesotho führt. Erster Stopp in der kleinen Küstenstadt Umkomas: empfehlenswertes Hotel mit Restaurant direkt über den Wellen: Aliwal Shoel Scuba, eine Taucherlodge, die in Käfigen die Touristen zu den Haien bringt. Habe ich nicht getestet, aber die Fischplatte mit Blick auf den Ozean und das Zimmer waren überwältigend.

Kurz vor unserem Abenteuer legen wir am nächsten Morgen einen kleine Stärkungsrast bei einem freundlicher Franzosen ein, Julien. Er gibt uns in seinem exzellenten Restaurant C Breeze in der kleinen Küstenstadt Scottburgh so überraschende wie Besorgnis erregende Auskünfte über die vor uns liegende Strecke, denn „hier werden die Weißen sogar im Auto ausgeraubt und bis auf die Unterhosen ausgezogen“. Er legt uns nahe, auf keinen Fall irgendwo anzuhalten und auch nirgendwo zu zelten. Hotels gibt es kaum und wir werden vollkommen ungeschützt durch die Pampa mit dem Rad fahren. Wunderbar!

Ich lasse mich nicht aus der Ruhe bringen und sehe das ganz eher gelassen. Er ruft noch jemanden an, den er auf der Strecke kennt, der ruft noch jemanden an und schon haben wir unser erstes Nachtquartier im Garten von muslimischen Indern, Besitzer einer Holzfabrik im ersten kleinen Nest, das wir antreffen werden. Geht doch. 

Von nun fängt eine Schneeballreaktion an wie sie besser nicht hätte sein können: wir werden die fünf Tage jeden Abend irgendwo erwartet, man beherbergt uns in Privathäusern, auf Farmen oder in Hotels, meistens gratis und mit gedecktem Tisch! Die so schrecklich geschilderte Tour entpuppt sich als eine Fahrt durch ein sozial gestricktes Netz von Beziehungen, die wir in diesem Fall gerne ausnutzen. Dank Julien!

Der erste Abend bei Mohammed, in der Holzfabrik, ist eine kleine Erzählung wert: nass und vollkommen ausgelaugt suchen wir im Nieselregen nach dem Haus, keine Schilder, keine Sicht, nur ein Supermarkt mit ghettoblasterhörenden schwarzen Kids und skeptisch guckenden Alten. Keine wirkliche Auskunft, also versuchen wir auf eigene Faust die uns empfohlene Familie zu finden. Plötzlich öffnet sich am Wegesrand ein großes ferngesteuertes Eisentor und die Familie Mohammeds wartet schon auf uns. Nicht im Garten müssen wir zelten, sie haben ein Bett in der Fabrik für uns im Trockenen vorbereitet, das Bad kann ich im Haus benutzen und ein warmes Essen steht schon auf dem Tisch! Ein langer Abend mit äußerst interessanten Gesprächen über das heutige Südafrika, Apartheid und Islam ergibt sich. Man legt uns nahe, sehr vorsichtig zu sein und uns vor dem „bösen schwarzen Mann“ in Acht zu nehmen. Sie selbst leben vollkommen abgeschieden in ihrer eigenen Welt, haben da draußen keine Freunde und sowieso kann man nur unter Weißen miteinander reden. Alle anderen sind gefährlich! Uhh…

Nun gut, schon wieder eine Gruselbeschreibung des vor uns liegenden Weges. Ich kümmere mich mehr um meine noch zu trainierende Kondition als dass ich mir Angst einflößen lasse und genieße die herrliche, üppig grüne Hügellandschaft.

Es ist uns nichts passiert auf der Strecke und auch sonst nie, die schwarzen Einheimischen, die hier teilweise noch in Lehmhütten in kleinen Dörfern leben und zu den Xhosa gehören, stehen freundlich am Wegesrand und winken uns erstaunt zu. Ich habe dagegen einiges an Erkenntnis über die heutige Lage des Zusammenlebens von Schwarz und Weiß in Südafrika gelernt. Aber hierzu später mehr.

Je mehr wir uns Underberg nähern, Städtchen mit verheißungsvollem Namen, desto grüner und freundlicher wird die Umgebung. Die großen Berge, die Südafrika von Lesotho trennen, erscheinen im Hintergrund der schnurrgeraden Straße, die Sonne brennt und es ist ein herrlicher Tag. Nach diesen fünf abenteuerlichen Tagen bin ich doch irgendwie froh, wieder ein bisschen Zivilisation und eine Stadt um mich zu haben. Eine tolle Belohnung ist das mit Liebe ausgestattete Restaurant Lemon Tree, das mich für ein paar Stunden aufnehmen wird. In Underberg gibt es zahlreiche und gute Übernachtungsmöglichkeiten, da es der Ausgangspunkt für den Sani Pass ist, unser Ziel für den nächsten Morgen.

Der Sani Pass ist das Tor zu Lesotho, dem runden kleinen Königreich inmitten Südafrikas. Der Bergstaat hat eine Durchschnittshöhe von circa 2.000 Metern, häufig geht es jedoch steil weiter hinauf bis über 3.000 Meter. Wir lassen uns die geschotterte Serpentinenstraße mit einem Jeep hinaufbringen, unsere Fahrräder hätten dies beim besten Willen nicht geschafft! Zwei Stunden brauchen wir von Underberg bis nach oben. Hier erwartet uns eine kleine Grenze mit Schlagbaum und gratis-„Visa on arrival“. Es ist ziemlich öde hier oben, keine Vegetation und ein wolkenverhangener Himmel lässt und sofort einkehren in die berühmte Sani Mountain Lodgedas höchste Pub Afrikas! Wir sind auf einmal in einer  Schutzhütte wie sie in den Alpen stehen könnte. Vollgestopft mit Andenken, die Wände sind übersäht mit den Namen der Besucher, Geldscheine aus aller Herren Länder zieren das Restaurant, die Aussicht ist toll und die Bar wirklich ein Knüller.

Die besten Weine Südafrikas und eine überaus gute Küche, natürlich zu stolzen Preisen lässt uns hier einen unvergesslichen Abend verbringen. Ein Tipp: übernachtet in der Lodge, damit der Trubel, der hier tagsüber herrscht, verschwindet und ihr einen gemütlichen Abend verbringen könnt. Zum Schlafen gibt es extrem teure aber wunderschöne Bungalows mit eigenem Kaminfeuer oder Matratzenlager, je nach Budget.

Und nun fängt das wirkliche Abenteuer an: mit dem Rad durch Lesotho! Eigentlich war mir nicht so recht klar was wir da vor hatten, wir wollten Lesotho bereisen, diesen kuriosen Staat und es dabei mit dem Rad überqueren. Die App Maps 3D Pro, die ich erst später entdeckt und heruntergeladen habe und die mir die Höhenunterschiede anzeigt, hätte dieses Projekt wahrscheinlich platzen lassen. Meine Kondition und Oberschenkelmuskulatur dankt es mir dafür bis heute! Denn wer einmal Lesotho mit dem Rad durchquert hat, kann von nun an jeden Berg der Welt mit dem Rad erklimmen!

Es ist unglaublich steil! Es ist so steil, dass an manchen Stellen die gerade frisch geteerte Straße nicht mehr mit Asphalt, sondern mit Betonplatten bedeckt ist. Sogar das Schieben fällt mir schwerund es gibt Tage, da schiebe ich mein Fahrrad für Stunden in Serpentinen den Berg hinauf. Die knapp 40 Kilo Gewicht auf dem Rad und meine noch nicht so trainierte Kondition machen mir zu schaffen. Manchmal frage ich mich, was ich hier eigentlich mache? Aber der Gedanke verfliegt schnell wieder, denn diese Einsamkeit, die man hier oben erleben kann ist einzigartig.

Und es ist ja nicht so, dass abends immer ein kuscheliges Hotel auf uns wartet! Es ist schon eine Ausnahme, wenn es überhaupt ein Dorf gibt, geschweige denn eine Unterkunft. Einmal war der Wind so stark, die Straße so steil und der Regen so nah, dass ich in einem kleinen Supermarkt (sogar hier in chinesischer Hand!) nach einer Herberge fragte, man hat uns zu einem Gebäude geführt, in dem es ein einziges Zimmer gab, nur ein Bett stand drin, Plumpsklo draußen! Aber wir hatten ein Dach überm Kopf und Schutz vor dem Sturm.

Die Abfahrten sind hier natürlich genauso steil wie die Anstiege und es ist nicht immer ein Vergnügen, mit dem schwerbeladenen Rad diese steilen Hänge hinunterzufahren. Die Bremsen heizen auf und ich muss jeden Kilometer stehen bleiben um sie abkühlen zu lassen. Umso erfreuter bin ich, als uns mitten in der absoluten Wildnis der Berge die Afriski-Lodge überrascht. Ein winziges Skigebiet mit nur einem Lift. Von einer südafrikanischen Gesellschaft gebaut, lernen wir einen der Investoren am Abend kennen und er erzählt uns die Entstehungsgeschichte und Durchführung  seines Traumes, an den er ganz fest glaubt, denn auch Südafrikaner wollen Skifahren und nicht ins teure Europa dafür reisen müssen. Es ist ein Riesenprojekt in österreichischem Stil. Man hat tatsächlich das Gefühl, in den Alpen zu sein: Hüttenzauber, Holzbungalows und echter Kaiserschmarren. Ich muss lächeln über diese verrückte Welt! Grade noch im tiefsten öden Afrika, fast am Verzweifeln und nun auf der Alm bei Weißbier und Luxus.

Von hier geht es nun fast nur noch bergab und die letzte und auch schönste Nacht in Lesotho verbringe ich in einer Grotte, der Liphofung Cave, die am Wegesrand liegt und die uns vor dem nahenden Regen schützen wird. Hier haben einmal vor vielen tausend Jahren die Jäger mit ihren Sippen gewohnt, heute kann man sie besichtigen und in kleinen, ganz einfachen Bungalows schlafen. Die Landschaft ist ein Träumchen: hügeliges, saftig grünes Land mit kleinen Dörfern, die aus runden Lehmhäusern bestehen, die Bevölkerung ist zugänglich und neugierig. Ich darf bei der Erneuerung des Putzes einer solchen Hütte den Frauen aus dem Dorf helfen, alle winken und möchten wissen, was wir da so eigentlich machen… mit dem Rad?

Zurück nach Südafrika auf der anderen Seite des kleinen Landes Lesotho erwartet uns eine wunderbare Landschaft: die Drakensberge. Völlig überraschend fahren wir durch Canyon-Landschaften, grüne Wiesen und atemberaubende Berge. Clarins, ein Städtchen, das von Künstlern bevölkert wurde, hat noch ein bisschen was von Hippie, aber auch von Glamour. Ein gutes Gefühl nach einer Abenteuerreise mal wieder in einem ordentlichen Bett zu liegen und eine gute Flasche Wein trinken zu können. Zum Schlafen unbedingt ins Clarens Inn, dem Backpacker Hostel. Hier habe ich einen eigenen runden Bungalow für mich und im Garten führt ein Weg direkt auf die Berge. Gut essen kann man im Gosto, einem portugiesischen Restaurant.

Von hier aus bietet sich ein Ausflug in die Drankensberge an, man kann natürlich auch richtig Bergsteigen und weiter reisen von hier. Ich bin beschränkt durch das Rad und mache nur einen kleinen Abstecher zum Golden Gate National Park. Auch hier habe ich eine wunderbare Wanderung in die Schluchten unternommen und auf dem Campingplatz gezeltet. Achtung: keine oder nur schlechte Möglichkeiten zum Essen, da alles Selbstversorgerunterkünfte sind.

Letztes Station in Südafrika und vor dem Flughafen in Johannesburg ist Bethlehem, kleines Provinzstädtchen, das uns für die Logistik von Nutzen sein wird. Hier wohne ich in einem der schönsten B&Bs der ganzen Reise, dem La Motte, bei einem älteren Pärchen, die ihr großes Familienhaus samt Pool umorganisiert haben, um Gäste aufzunehmen und nicht alleine zu sein. Mit dem behilflichen Hausherren habe ich ein  langes Gespräch über die aktuelle Lage in Südafrika, die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen und v.a. über die Apartheid.

Südafrika und Apartheid:

Ich möchte hier einen kleinen Anhang dransetzen, für diejenigen, die interessiert sind an dem aktuellen Zustand Südafrikas. Es sind ein paar persönliche Überlegungen, die mich von Anfang meiner Reise an begleitet haben.

Ganz entgegen aller Warnungen, habe ich in Südafrika keine schlechten Erfahrungen mit der einheimischen Bevölkerung gemacht, weder mit den Weißen, noch mit den Schwarzen, wobei ich jedoch kaum Kontakt zu den Schwarzen gehabt habe. Die einzigen Berührungspunkte waren auf der Straße im Vorbeifahren und da hat man mich eigentlich eher überschwänglich nett begrüßt und nicht ausgeraubt. 

Meine Erkenntnis nach zirka eineinhalb Monaten Südafrika ist, dass die Apartheid  keineswegs zu Ende und ein Ende auch nicht wirklich gewollt ist. Die jahrhundertelange Herrschaft der Weißen über die Schwarzen in einem Land, das gar nicht ihres war, über das sie jedoch auch heute noch das Sagen haben, hat zu starke Wurzeln wachsen lassen, um diese entfernen zu können. Die Weißen fühlen sich auch heute noch wie die Samariter und sind effektiv die Herrscher. Fast jedes Hotel, Restaurant, Firma etc. gehört Weißen und wird von diesen geführt. Wenn sie dann mal das Ruder abgeben an einen „schwarzen Bruder“ und dies, sehr häufig, schief geht, dann kommt wieder der famose Satz: “Ich bin ja kein Rassist, aber…“. 

Darf man sich beschweren über eine andere Mentalität, die es nicht oder nur teilweise erfahren und gelernt hat, wie wir zu denken, zu arbeiten, die Dinge anzugehen? Die Eingeborenen haben doch eine völlig andere Lebenseinstellung und Kultur und man kann und sollte nicht erwarten, dass sie so denken und handeln wie wir es tun. Und dies sollte auch nicht passieren, das wäre ja fürchterlich. Jeder sollte doch seiner Kultur treu bleiben, und seine Kultur leben, ohne es einem anderen Recht machen, sich beugen zu müssen, seine eigene Kultur und Identität aufgeben müssen, nur um dem sogenannten “Fortschritt“ beizupflichten. 

Sind wir denn sicher, dass wir diejenigen sind, die alles richtig machen? Vielleicht braucht man ja gar nicht so viel Erneuerungen, technologische Erweiterungen und all das, was wir Fortschritt nennen. Sind wir sicher, dass unser Konsumverhalten als Fortschritt bezeichnet werden sollte? Das ständige Arbeiten um sich mehr leisten zu können, um besser angesehen zu werden in der Gesellschaft, um immer einsamer zu werden, keine wirklichen Bezüge mehr zu haben als die materielle Welt? Internet, Fernsehen, Handy, ein ständiger Informationsschwall, ein Veröden der intellektuellen Interessen, der natürlichen Charakterzüge, Über-Erziehung der Kinder, immer besser sein wollen als die anderen. Ist dies alles wirklich Fortschritt? Oder ist es vielleicht eher ein Verlust an vielen spirituellen Dingen, ein Abkapseln von der reellen Welt, von der Mutter Erde? Und müssen wir dies unbedingt anderen Kulturen aufstülpen, die vielleicht noch ganz andere Werte haben und leben, die wir gar nicht (mehr) kennen und zu schätzen wissen? Wo liegt der wirkliche Reichtum? Dies sind alles Fragen, die ich mir schon seit Jahren stelle, seitdem ich sehe, wie glücklich und ausgeglichen die Menschen in ärmeren Ländern sind und wie unglücklich und isoliert unser westliches Volk immer mehr zu werden scheint. 

Eine schwierige Situation ist diese und ich war irgendwie froh, nach eineinhalb Monaten in das „Wirkliche Afrika“ reisen zu können, nach Malawi (siehe Artikel) und Tansania (siehe Artikel).

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