EINE MAGISCHE INSEL
Grüne, saftige Hügel, als wäre man in der Toskana, eine frische Ozeanbriese, alte Holzkirchen, die unter dem Schutz der UNESCO stehen, ein ganz eigener Schlag Menschen, Meeresfrüchte so groß wie im Schlaraffenland. All das ist Chiloé und noch viel mehr!
Die Insel, die Menschen, die Mentalität sind vollkommen anders als auf dem Festland, es geht irgendwie friedlicher hier zu, die Atmosphäre schwenkt zwischen meditativ melancholisch und dann ist da doch irgendwie eine Coolness, die überraschend fasziniert.
Ich bin mit dem Bus von Puerto Montt nach Castro gefahren, in circa 4 Stunden für 10€ mit Cruz del Sur. Man setzt auf halber Strecke mit der Fähre über, eigentlich könnte man das Stückchen auch schwimmen, wenn es nicht so kalt wäre und das Meer voll von Seerobben ist, die einem in die Quere kommen könnten.
Castro, die „Metropole“ Chiloés, hat ein wunderbares Flair. Die gesamte Küstenpassage ist von Häusern gesäumt, die auf Pfahlbauten stehen und die sich wie eine Perlenkette aneinanderreihen. Mit den zweimal am Tag einsetzenden Gezeiten legen sie diese frei und die Häuser wirken irgendwie nackt, um dann ein paar Stunden später wieder auf dem Wasser zu schwimmen. Suggestiv liegen die vielen bunten Fischerboote bei Ebbe auf dem flachen Meeresgrund und das Grün der Algen blitzt in der Sonne giftig auf.
Es gibt unzählig viele tolle B&Bs und Hostels in diesen Pfahlbauten, allerdings recht teuer. Ich habe ein kleines Hostel mitten in der Stadt gefunden, bei einer Familie für wesentlich weniger Geld, was völlig ok war: Casa Familiar Magaly. Zirka 15€ das Einzelzimmer, beide Busterminals sind zu Fuß erreichbar und das Meer ist 100 Meter entfernt.
Es ist einfach wunderbar, durch das einladende Städtchen zu bummeln, durch die vielen Gassen mit den so typisch bunten Einfamilienhäusern. An jeder Ecke gibt es ein Café oder Restaurant, für Einheimische, für Touristen, oder für beide. Ich habe stundenlang in den Cafés gesessen, endlich mal wieder am Blog gearbeitet und die Sicht der Balkone auf das Meer genossen.
Es gibt zwei Teile der Stadt, die mit Pfahlbauten bestückt sind, einmal der bekanntere südliche Teil, etwas außerhalb, wo ein Hostel dem anderen folgt. Hier gibt es eine hervorragende Cevicheria. Mit tollem Blick genießt man hier frischesten rohen oder gekochten Fisch, in einfachem Ambiente mit toller Terrasse und Blick auf die ganze Bucht.
Und dann gibt es den nördlicheren Teil, hinter dem Hafen, der noch etwas ursprünglicher ist.
Das Café Palafito Patagonia ist zu meinem Liebling geworden. Sie backen frischen Kuchen und haben viele gute Kaffeesorten, es ist jedoch die Atmosphäre, die hier alles toppt. In derselben Uferstraße ist das Café Patio Palafito, auch gut.
Essen sollte man in Chiloé unbedingt das inseltypische Gericht „Curanto“: eine Fischsuppe mit Fleischeinlage. Sie besteht aus handgroßen Miesmuscheln und anderen nicht definierbaren Krustentiere und gekochtem Fisch, dazu gibt es Würstchen, ein kleines Stück Schweinshaxe, eine Art Polenta-Einlage und Kartoffeln. Also eigentlich alles, was der Mensch so braucht zum Leben. Unbedingt probieren, z.Bsp. im Restaurant Ocatvio, einem runden Holzbau auf Pfählen, direkt über dem Wasser. Etwas altbacken, aber die Küche ist gut und sie spielen Jazzmusik, manchmal wohl auch live.
Besonders gut habe ich im Restaurant Mercadito gegessen, direkt an der Küste. Wunderbar bunt eingerichtet, so wie die Häuser hier eben sind, mit jungem netten Personal und fantasiereicher Küche. Wenn es das Wetter zulässt, kann man hier auf einer fantastischen Terrasse mit Meerblick sitzen.
Im Zentrum gibt es das Café Blanco mit einer großen Tortenauswahl. Ein guter Stopp, wenn man dort unterwegs ist. Ansonsten habe ich die Küstenregionen der Stadt bevorzugt um auszugehen.
Der Höhepunkt einer jeden Chiloé-Reise sind jedoch die Kirchen: die Holzbauten, nicht älter als 100/150 Jahre, sind etwas, das ich noch nie so gesehen hatte. Ich habe nur ein paar von ihnen besichtigen können, aber richtig Lust darauf bekommen, hier eine Tour zu machen und zumindest die 16 von der UNESCO als Weltkulturerbe ernannten von insgesamt 150 Kirchen anzusehen.
Die Iglesia San Francisco in Castro besticht durch ihre gelbe Farbe, die man von allen Ecken im Zentrum sofort erkennt: das gelb angemalte Wellblech bedeckt die Kirche von außen komplett, im Inneren dagegen kommt man wirklich ins Staunen. Die Kirche besteht komplett aus einem warmen rötlich gefärbten Holz. Alles ist eintönig hier drinnen, man hat sofort eine heimeliches Gefühl. Ich habe hier dem Weihnachtsgottesdienst am Heiligen Abend beigewohnt… und es war einfach fantastisch.
Unbedingt sollte man den einstündigen Spaziergang von Castro zur Iglesia Nuestra Señora de Gracia de Nercón machen. Es geht an den südlichen Pfahlbauten vorbei, dabei kommt man über die Brücke, von der man das Star-Foto auf die Bucht machen kann und dann immer der Straße entlang für zirka vier Kilometer. Die Kirche befindet sich 100 Meter rechts von der Hauptstraße, man kann sie nicht verfehlen. Besonders schön und suggestiv ist ihre Lage, im Grünen, mit einem kleinen englischen Garten und dem Friedhof gleich dahinter.
Sie besteht komplett aus Holz, von innen sowie von außen, und das Innere betört durch seine farbenfrohe Dekoration. Die Säulen sind gesprenkelt angemalt und sollen wohl den Marmor von Carrara imitieren. Wunderbar! Unbedingt sollte man hier in den Turm klettern und den Rundgang um das Deckengewölbe machen. Man kann bis hoch zu den Glocken steigen und mit etwas Glück mit dem Glöckner ein Schwätzchen halten.
Auf dem Rückweg kann man im ganz einfachen kleinen Einheimischen-Restaurant Fogón Chiloteam Rande der Straße halten. Hier gibt es lokale Brotspezialitäten und kleine Jausen.
Am Ufer in Castro gibt es natürlich auch wieder die Feria Artesanal, den Markt mit allerlei handgemachtem Schnitzzeug, Klüngel, und Pullovern und Ponchos aus Alpaka. Den Preisen zu entnehmen, ist es jedoch eher chinesische Wolle anstatt die kostbare Alpakawolle. Nichts desto trotz habe ich mir einen Pullover gekauft, mal sehen was er so bietet.
Ein Ausflug nach Dalcahue lohnt sich auf jeden Fall. Man kann einfach den Bus vom Terminal de Buses Municipal nehmen und in einer halben Stunde ist man für einen Euro dort. Dalcahue ist ein kleines Fischerdorf, mit dem größten Markt für Handgemachtes der ganzen Insel. Ich bin am 25. Dezember dort gewesen und war völlig alleine in einem fast verlassenen Dorf. Nur ein paar Betrunkene vom Heiligabend streunten mit mir durch die Straßen. Meine Eltern haben mir daraufhin ihre Dalcahue-Erfahrung geschildert, sie waren hier wohl unter Hunderten von Touristen. Gut, meine Erfahrung war mit Sicherheit etwas spezieller und ich habe sie durchaus genossen. Etwas melancholisch lag er da, dieser Ort bei Ebbe und den vielen Fischerbooten am Ufer. Eine ältere Dame machte irgendwann ein kleines Café auf und dort habe ich zumindest etwas Warmes zu trinken bekommen. Normalerweise kann man hier wohl zwischen Dutzenden von Ständen wählen um den frischen Fisch direkt aus der Hand essen.
Auch hier wieder die wunderschöne Holzkirche am Hauptplatz, leider war auch sie geschlossen und ich habe sie nur von außen sehen können.
Es ist schon beeindruckend, wie externe Umstände die Vision eines Ortes oder einer Situation verändern können. Ganz ohne Kategorisierung, sondern einfach wie anders man Dinge sehen kann.
Chiloé gehört auf jeden Fall zu einer Reise durch Chile, durch Patagonien, ja sogar durch ganz Südamerika!