INSEL DER BLUMEN UND LEVADAS, INSEL DER GLÜCKSELIGEN.
EIN WANDERBERICHT.
Landen auf Madeira will gekonnt sein: der Flughafen ist erst vor ein paar Jahren erneuert worden und gilt als eines der anspruchsvollsten und teuersten Ingenieurprojekte Portugals. Die Piloten benötigen eine Spezialschulung um in anfliegen zu können und ich habe so machen Flieger gesehen, der während der Landung wieder durchstarten musste. Aber keine Angst: die Piloten wissen was sie tun und steuern im Zweifelsfall den nahe gelegenen Flughafen auf der Nachbarinsel Porto Santo an.
Madeira ist bekannt für seine Blumenvielfalt und dies zu Recht: europäische Kaufleute brachten im 18. Jahrhundert die schönsten Pflanzen der Welt mit, die sich heute zu den unzählig vielen endemischen Arten gesellen. Es gibt so kurios klingende Bäume wie den Drachenbaum und den immer blühenden wunderschönen Frangipane; der Lorbeerwald, vor Jahrmillionen aus Mitteleuropa eingewandert – wo er heute nicht mehr zu finden ist – gehört mittlerweile zum Weltkulturerbe!
Funchal, die Hauptstadt Madeiras ist schön anzusehen, besser wohnen kann man allerdings in Caniço, der kleinen Küstenstadt wenige Kilometer entfernt. Da Madeira von einer Million Touristen besucht wird ist, es gut, sich ein ruhiges Plätzchen zu suchen, abgeschieden vom Rummel und den anlegenden Kreuzfahrtschiffen. Besonders schön ist es hier im Hotel Quinta Splendida: ein eigener botanischer Garten umringt die Zimmer und den wunderbaren Pool, einen tollen Meerblick hat man aus den vielen verwunschenen Ecken des Gartens. Von hier aus kann man Tagesausflüge nach Funchal und in die Umgebung machen.
Die Hauptstadt sowie die gesamte Insel war einmal Anlaufstelle für Schiffe, die nach Brasilien und Indien weitersegelten und kann sich somit eines reichen Kulturerbes aus mehreren Jahrhunderten rühmen. Die Rua de Santa Maria ist die älteste Straße und heute eine schöne Bummelstrasse mit Kunstgalerien, Restaurants und Bars. Gut essen und schön sitzen in der engen Gasse kann man im Restaurant Gaviâo Novo. Unbedingt vorher zum Aperitif ins Venda Velha, einem kleinen süßen Lokal wo man den leckeren, für Madeira typischen, Poncha kosten kann: ein alkoholhaltiges Getränk mit verschiedenen Fruchtmischungen. Eine Wonne fürs Auge ist der Mercado dos Lavradores, mitten im Zentrum, wo Schnittblumen, Pflanzen, Obst, Stickereien, Delikatessen und vieles mehr in einer alten Markthalle verkauft werden (wer Wanderungen geplant hat, sollte sich hier mit den unglaublich schmackhaften Trockenfrüchten versorgen). Die Azulejos, die weißblau angemalten Fliesen schmücken die meisten Häuser und Paläste. Zu besichtigen auch die Kathedrale Sé, einst die größte Diözese der Welt: sie war zuständig für alle portugiesischen Übersee-Territorien. Der Barock, den man an jeder Ecke, den Palästen und Kirchen bewundern kann, ist das Zeichen für den einst großen Wohlstand Portugals.
Cristiano Ronaldo kommt aus Funchal und wird hier als Nationalheld gefeiert und schon Christoph Kolumbus hat auf Madeira seinen Wohnsitz gehabt, zu Zeiten als er hier mit einer Einheimischen verheiratet war.
Die Insel ist früher immer wieder von Piraten aus Algerien und Marokko heimgesucht worden, man kann in allen Städten und Dörfern noch die Festungen besichtigen, die zum Schutz hierfür gebaut wurden. Die Piraten kamen und drängten in die kleinen unbeschützten Dörfer ein um Christen in die Sklaverei zu verschleppen. Wer reich genug war, konnte sich frei kaufen, es gab eine eigens hierfür zuständige Behörde in Lissabon. Für alle anderen hieß der Angriff eine Fahrt ohne Rückkehr in ein Leben der Sklaverei.
Von Funchal aus kann man mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die darüber gelegene kleine Ortschaft Montegelangen, wo früher die reichen englischen Weinhändler ihre Sommerresidenzen errichteten. Der letzte Kaiser von Österreich, Karl von Habsburg, ist hier 1922 in kläglicher Armut gestorben und ihm zu Ehren ist ein Denkmal erbaut worden. Lustig ist es mit den traditionellen Korbschlitten die Straße hinunter bis nach Funchal zu fahren, sie werden von einer Zunft angehörigen Lenkern geführt, die noch eine traditionelle Kluft samt Lederstiefeln tragen. Wer diesem mittlerweile touristischem Spektakel nicht frönen möchte, kann eine wunderschöne, jedoch anspruchsvolle Wanderung von circa anderthalb Stunden durch den tropischen Wald unternehmen: von Monte bis zum kurz über Funchal gelegenen botanischen Garten.
Wunderschöne Wanderungen auf der Insel sind auch von Funchal aus organisierbar: man kann sich ein Taxi nehmen und zu einem Startpunkt bringen lassen, sowie einen Endpunkt ausmachen und sich dort wieder abholen lassen. So beispielsweise die Levada-Wanderung von Rabaçal zu den 25 Quellen. Hier unbedingt vom Tunnel aus starten (Taxifahrer kennen den Eingangspunkt), dies gibt dem ganzen einen abenteuerlichen Beigeschmack. Man läuft erst circa einen Kilometer durch den Bewässerungstunnel, um dann auf der anderen Seite in einem Märchenwald anzukommen (Taschen-oder Stirnlampe nicht vergessen!!!). Weiter geht es dann entlang der wunderschönen Levadas, die auf der gesamten Insel schon im 15. Jahrhundert erbaut wurden. Sie dienten zur Bewässerung der Felder und werden noch heute dazu benutzt, sowie mittlerweile auch zur Stromerzeugung. Die damals entlang der Kanäle erbauten kleinen Wege, die zur Instandhaltung dienten, sind heute bequem zu belaufene Wanderwege. Die Quellen sind schöne Wasserfälle, man muss auf dem gleichen Weg wieder zurück und kann sich am Parkplatz abholen lassen. Dauer circa dreieinhalb Stunden. Auf dem Rückweg bietet sich eine Tour über die Küstenstraße über das Cabo Girão an: mit seinen 580 Metern eines der höchsten Kliffs der Welt.
Eine Wanderung, die kein Grün aufweist jedoch nicht minder schön ist, ist die Besteigung des Inselzipfels São Lourenço. Circa drei Stunden braucht man um zum entferntesten Punkt und wieder zurück zu gelangen. Die karge Landschaft, der Wind und die wunderbaren Aussichten auf die Felsenküste machen diese Wanderung zu einer der schönsten ganz Madeiras. Man kann in den Gesteinen wunderbar die vulkanische Felsformation der Insel beobachten und sich die Brise an steil abfallenden Aussichtspunkten durch die Haare fahren lassen.
Die Insel ist durch einen sogenannten Hot-Spot entstanden, der Vulkane dort entstehen lässt wo sich die Lava Löcher von unten in die Erdkruste brennt. Die Insel vulkanischen Ursprungs ist deshalb so extrem fruchtbar.Durch die viele Vegetation und das milde, feuchte Klima sind schon im 19. Jahrhundert viele adelige Europäer auf die Insel gekommen um hier zu überwintern: berühmtestes Beispiel ist die Kaiserin Sissi, aber auch Winston Churchill, George Bernhard Shaw und Rainer Maria Rilke waren hier schon Gäste.
Auf dem Rückweg nach Funchal liegt Machico: ein schön gelegener und angenehmer Stopp. Dieses kleine Dorf ist die älteste Siedlung Madeiras; hier sind die ersten Schiffe der Christusritter um 1390 an Land gegangen, ein verbotener, in Portugal jedoch geduldeter Tempelorden. Die Ritter haben dann einen kleinen Hafen aufgebaut und das kulturelle Leben blühte hier nur so! Die Zeugnisse hiervon können wir noch heute in den wunderschönen alten Kirchen und den mit ihnen verbundenen romantischen Legenden bestaunen. Es gibt einen kleinen feinen Sandstrand, Rarität für Madeira und auf dem Hauptplatz ein gutes, schönes und leckeres Restaurant: das Mercado Velho.
Zwei Restauranttipps für diejenigen, die in Caniço übernachten: im unteren Stadtteil Baxia direkt an der Küste das Fischrestaurant A Traineira. Hier kann man frischen Fisch jeglicher Art mit gutem Wein in rustikaler Atmosphäre bei perfektem und freundlichem Service zu anständigen Preisen genießen. Im oberen Stadtteil, direkt im Zentrum von Caniço dagegen das Fleischrestaurant Central: hier gibt es die für Madeira berühmten Espetadas (Fleischspieße), die vor jedem Kunden einzeln aufgebaut werden und von einem Stab herunter pendeln. Ein kulinarisches, einmaliges Erlebnis!
Zweite Station machen wir in Santana. Auch hier bietet es sich an, ein Basislager aufzuschlagen und von hier die Umgebung auszukundschaften. Madeira ist eine kleine Insel und man kann locker alles mit dem Auto oder Taxi an einem Tag schaffen. Santana ist berühmt für seine mit Stroh gedeckten kleinen Häuser, auch diese gehören zum Weltkulturerbe, auch wenn sie heute nur noch dem Tourismus dienen. Viel mehr zu sehen ist hier nicht, dagegen sind die Wanderungen, die man von hier aus machen kann überwältigend.
Eine der schönsten Trekkingtouren entlang der Wasserkanäle führt zum Caldeirão Verde und zum Caldeirão do Inferno. Startpunkt ist der Pico das Pedras, von hier führt der Weg ins märchenhafte Queimadas, dann weiter in die beiden Kessel mit ihren riesigen Wasserfällen. Es ist sehr feucht hier, also unbedingt einen guten Anorak mitbringen! Auf dem letzten Stück des Weges, der zum Höllenkessel führt, wird der Levadaweg immer wieder von kurzen und sehr niedrigen Tunneln unterbrochen. Hier steht das Wasser auch mal knöchelhoch und es ist nicht einfach sich hier durchzuschlängeln, allerdings ein richtig abenteuerliches Erlebnis! Unbedingt eine Stirnlampe mitbringen!!! Auf dem Rückweg kann man einen traumhaften Weg nach Ilha einschlagen, durch Wälder und Felder mit Blick aufs Meer (so dass man nicht den gleichen Weg zurückgehen muss) und sich dort abholen lassen. Wanderzeit circa 7 Stunden.
Zum Schlafen in Santana gibt es eine einzige wirkliche Adresse: die Quinta do Furão, 5 Minuten außerhalb des Ortes. Die Quintas sind ehemalige Landgüter der einheimischen und europäischen Adeligen gewesen und heute beinahe alle zu Hotels oder Museen umgebaut worden. Traumhaft direkt an der Steilküste liegt dieses große Anwesen mit Blumenpark und Weinanbau, Restaurant, Pool und kleinen romantischen Plätzchen im Garten. Hier ist es schön, an einer Verköstigung des berühmten Madeiraweins teilzunehmen. Man kann dies privat im Keller des Weinguts organisieren, dazu werden guter Käse und Schinken gereicht. Der Madeira ist weltbekannt, ursprünglich wurde er von den Engländern hier angebaut und gehörte, nach dem Zucker, zum größten Exportmittel der Insel. Man kann ihn als Aperitif oder Digestif trinken, je nach dem Grad der Süße. Er hat 18% Alkoholgehalt und kann damit bis zu 100 Jahre gelagert werden (wenn man den Korken alle 15 Jahre erneuert)!
Das Restaurant des Hotels ist leider qualitätsmäßig enttäuschend, allerdings ist der Blick vom Saal und der Terrasse umwerfend! Besser essen kann man im Restaurant Cantinho da Serra in Santana: hier wird gute ehrliche Hausmannskost serviert, mit vielen kleinen Petiscos (kleine Vorspeisen) zum Probieren. Auch die Hauptgänge und der Wein sowie die wunderbaren Desserts haben uns gänzlich überzeugt, der Service ist familiär freundlich und das leuchtende und wärmende Kaminfeuer setze allem die Krone auf an diesem regenreichen Tag.
Von der Quinta do Furão führt eine kurze aber traumhaft schöne Wanderung runter ans Wasser: einfach durch die Felder entlang einiger kleiner Dorfschaften zum Schwimmbad hinunter, dann auf den Cais, den ehemaligen Walfängerhafen und von hier aus wieder auf der anderen Seite hoch zum Café Cabo Aereo, um auf der rustikalen Terrasse ein kühles Bier mit dem wohl schönsten Blick Madeiras auf den grenzenlosen Horizont des Atlantiks zu genießen (Wanderung von circa 2 Stunden).
Zur Geschichte Madeiras gehört der Walfang genauso wie der Madeirawein, die Zuckerrohrplantagen und das Spitzenhandwerk. Erst 1981 ist er gestoppt worden und seitdem kann man die Walkenntnisse der ehemaligen Fänger und deren Ausrüstung benutzen um diese aus der Nähe zu beobachten.
Ein Geheimtipp in diesen traumhaften Landschaften: von Santana aus 15 Minuten bis zum Startpunkt der kleinen abenteuerlichen Seilbahn laufen, die in die märchenhaft gelegene Bucht Rocha do Navio führt. Der Abstieg ist fabulös und führt in kleine Siedlungen wo Einheimische noch ihr Gemüse anbauen und diesen Weg täglich unternehmen. Hoch kann man mit der antiquierten Seilbahn fahren und sich in eine Zeit unserer Großeltern zurückversetzt fühlen! Ein absolutes Muss wenn Ihr in Santana seid!
Zum Schluss noch eine interessante Anekdote zur Insel Madeira: sie ist Teil der markronesischen Inseln (mit den Kanaren, Kapverden und Azoren): sie werden die Inseln der Glückseligen gennant. Dieser Name stammt aus der griechischen Mythologie und steht für das Elysium im Westen: die Inseln, auf die die Helden entrückt wurden, um ihnen Unsterblichkeit zu schenken.